Anerkennung Strahlen als immaterielles Kulturgut des Wallis

Der Kanton Wallis setzt die Suche, Erforschung und Inwertsetzung von Mineralien* auf die Liste der lebendigen Traditionen. Er anerkennt damit ein uraltes, mit den Bergen eng verbundenes Handwerk als immaterielles Kulturgut. Den Antrag dafür stellte eine Interessengemeinschaft, zusammengesetzt aus Strahlern (franz. «cristalliers»), dem Strahlermuseum Naters, dem Musée des Sciences de la Terre in Martinach und dem Landschaftspark Binntal.

Seit Jahrtausenden suchen Menschen in den Hochalpen nach Kristallen. Erste Spuren im Wallis sind rund 10'000 Jahre alt und wurden in den Überresten von Jagdlagern aus der Mittelsteinzeit auf dem Simplonpass gefunden: kleine Abschläge von Kristallen, mit denen Pfeilspitzen verstärkt wurden (ca. 8’500 – 7’000 v. Chr.). Bei archäologischen Grabungen in jungsteinzeitlichen Siedlungsresten in Saint Leonard und in Naters (3’500 v. Chr.) wurden erneut Kristalle entdeckt, die bei der Herstellung von Pfeilen und Werkzeugen Verwendung fanden. Die Suche und das Finden von Mineralien und deren Verarbeitung halfen unseren Vorfahren in der Mittel- und Jungsteinzeit als Jäger zu überleben.
Später wurden Kristalle zu einer Handelsware. Davon zeugen beispielsweise Funde im Binntal aus keltisch-römischer Zeit, als vor rund 2000 Jahren Depots mit Kristallen angelegt wurden. Diese wurden bei vorüberziehenden Händlern gegen Gebrauchsgegenstände und Schmuck eingetauscht.

Im Spätmittelalter und in der Neuzeit wurden besonders klare und grosse Kristalle in die städtischen Zentren wie Mailand verkauft und dort zu prunkvollen Gefässen, zu Leuchtern und Kreuzen verarbeitet. Die Oberwalliser Bergbauern nannten diese besonderen Fundstücke, die sie teuer nach Mailand verkaufen konnten, Mailänderware. So wissen wir, dass der «Glassarg» im Mailänder Dom aus dem 17. Jahrhundert, in dem der heilige Borromäus aufgebahrt liegt, nicht aus Glas besteht, sondern aus Kristallen geschliffen wurde, die nachweislich im Oberwallis gefunden wurden. Für die Walliser Bergbauern war das Strahlen schon seit dem Mittelalter zu einem wichtigen Nebenerwerb geworden.

Im 19. Jahrhundert schliesslich wurden die alpinen Mineralien zum Forschungsgegenstand der neuen Wissenschaft der Mineralogie. Die Strahler arbeiten bis heute noch mit den Wissenschaftlern zusammen, denen die Mineralien wertvolle Hinweise zur Erdgeschichte geben. Walliser Strahler pflegten enge Kontakte zu den Universitäten von Bern, Basel, Genf und Lausanne. Der Binner Strahler André Gorsatt erhielt als Anerkennung für seine Dienste für die Wissenschaft vor wenigen Jahren einen Ehrendoktortitel der Universität Basel.

Zurück

Das Externe-Buchungstool ist nicht Barrierefrei